Für einen modernen Dienstleister wie Militzer & Münch spielen innovative Technologien eine entscheidende Rolle. Aktuell ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) ein Thema, das die Logistikbranche bewegt. Um die individuellen Bedürfnisse und Einsatzmöglichkeiten dieser Technologie zu erkunden, hat das Unternehmen Thies Spannagel zum Group Project Manager AI ernannt. Seine Aufgabe ist es, zu evaluieren, welche Prozessbereiche sich für den Einsatz von KI eignen, um die Mitarbeitenden zu entlasten und den Servicegrad und die Effizienz des Logistikdienstleisters zu erhöhen. Seit über sechs Jahren ist er bei Militzer & Münch und verfügt über 20 Jahre Berufserfahrung in der Logistikbranche.

Hallo Herr Spannagel, was ist Ihre Aufgabe bei dem KI-Projekt?
Als Group Project Manager AI bin ich eine Art Knotenpunkt. Ich bekomme den Input aus den Landesgesellschaften, die mir berichten, welche Herausforderungen sie täglich meistern müssen und wo große Aufwände entstehen, die durch KI reduziert werden könnten. Im Fokus steht dabei immer die Verbesserung der Servicequalität für unsere Kunden. Ich schaue dann, ob es passende KI-Module gibt, die wir in unsere IT-Infrastruktur integrieren können. Das Thema KI interessiert mich sehr, weil ich sehr prozessorientiert bin und schnell und effizient zum Ziel kommen möchte. Wenn wir die Aufträge sauber und ordentlich abwickeln, entsteht eine hohe Kundenzufriedenheit.

Wann hat das Projekt begonnen und was ist das Ziel?
Mit dem Projekt haben wir am 1. März begonnen. Natürlich habe ich mich schon vorher mit dem Thema KI beschäftigt. Im November 2023 haben wir bei der M&M air sea cargo GmbH ein neues Transport Management System in Betrieb genommen. Das ist unsere zentrale Software, über die wir alle Aufträge abwickeln können. Jetzt geht es darum, dieses System weiterzuentwickeln – unter anderem mit KI. Ziel ist es, die manuellen Eingaben für die Kollegen kontinuierlich zu reduzieren, um die Produktivität zu steigern. Wir schauen uns aber auch an anderen Stellen um, wo uns KI unterstützen kann.

Wo liegen die größten Herausforderungen?
Die Landesgesellschaften der Militzer & Münch Gruppe sind relativ heterogen. Jedes Land hat sein eigenes Transport Management System und seine eigene IT-Infrastruktur. Das ist eine Herausforderung, wenn wir neue Module einkaufen, denn wir müssen sicherstellen, dass diese von möglichst vielen Landesgesellschaften genutzt werden können. Auch die Evaluierung der Module ist anspruchsvoll. Dienstleister zeigen in den Showcases häufig Demoversionen. Oft sind die Fälle, die in diesen Demos gezeigt werden, perfekt auf die Fähigkeiten des Tools abgestimmt. Die Problemstellungen, die wir in der Realität vorfinden, haben aber oft ganz andere Parameter, auf die die KI erst über einen längeren Zeitraum trainiert werden muss, bevor wir sie einsetzen können – ein neues KI-Modul ist nie „plug and play“.

 

Ein Beispiel dafür haben wir bei einem unserer Partner in Kanada gesehen. Dieser wollte ein Modul implementieren, das KI nutzt, um Kundenanfragen schnell und effizient zu bearbeiten. Als ich mir das mit meinen Kollegen angeschaut habe, war ich zunächst sehr beeindruckt. Nach einigen Monaten fragten wir nach, ob unser Partner mit dem Tool zufrieden sei, und da hieß es, es werde noch nicht aktiv genutzt. Es gäbe noch zu viele Kinderkrankheiten und das Tool sei für viele Bereiche im Unternehmen gar nicht geeignet. Es müsse so oft manuell eingegriffen werden, dass es effizienter sei, wenn die Mitarbeiter die Anfragen manuell bearbeiten.

Wenn wir Anbieter auswählen, fragen diese oft im Voraus nach Beispielen aus unserem Unternehmen, an denen sie ihr Tool demonstrieren können. Wir bringen aber auch immer einige Beispiele mit, die der Anbieter noch nicht kennt. So können wir besser einschätzen, ob wir das Tool tatsächlich einsetzen können oder ob der Anbieter die Demo nur auf unseren speziellen Fall abgestimmt hat. Meine Aufgabe bei der Auswahl dieser Tools ist auch das Risikomanagement. Deshalb nehme ich zu solchen Meetings bis zu drei Experten mit, die sich tagtäglich mit den zu prüfenden Themen beschäftigen, damit wir nicht leichtfertig Verträge abschließen.

Welche Eigenschaften müssen KI-Module haben, damit sie für Militzer & Münch in Frage kommen?
Beim Einsatz von KI geht es uns derzeit vor allem darum, repetitive Arbeiten zu übernehmen, um Ressourcen in anderen Bereichen zu schaffen. Wir können damit Prozesse optimieren und effizienter werden.

Ein gutes Tool muss sich gut in unsere IT-Infrastruktur integrieren lassen, und das ist aufgrund unserer unterschiedlichen Systeme in den einzelnen Ländern natürlich schwierig. Wenn ich mit einem Anbieter eines KI-Moduls spreche, frage ich natürlich immer, welche Schnittstellen es gibt. Der API-Standard, der den Vorteil hat, dass der Code bei der Implementierung nicht von Grund auf neu geschrieben werden muss, ist bereits weit verbreitet. Wir müssen schauen, welche Anbieter es auf dem Markt gibt und für welche Bereiche sie geeignet sind. Ein Beispiel ist die Zollabwicklung. Ziel ist es, diese so zu automatisieren, dass die Dokumente, die wir vom Kunden bekommen, schon soweit aufbereitet sind, dass die Kollegen nur noch einmal darüber schauen und lediglich kleine Details ergänzen müssen – aber nicht alle Informationen selbst heraussuchen und eingeben müssen.

Bei Technologien wie KI ist es wichtig, von Anfang an dabei zu sein und die Entwicklung vielversprechender Module zu verfolgen, um später nicht den Anschluss zu verlieren. Meine Aufgabe ist es, die Kollegen in den anderen Ländern bei der Umsetzung der Module federführend zu unterstützen. Dafür muss die jeweilige Landesgesellschaft aber ausreichend Ressourcen zur Verfügung stellen – insbesondere ein temporäres Implementierungsteam aus lokalen Experten, die sich mit den Regularien des jeweiligen Landes auskennen. Hier ist Teamwork gefragt.

KI-Systeme greifen auf Daten zurück, und diese müssen so aufbereitet werden, dass die KI sie verarbeiten kann. So haben die Kollegen unserer Landverkehr-Sparte (M&M Militzer & Münch GmbH) im vorletzten Jahr begonnen, ein KI-Modul einzusetzen, das Aufträge per E-Mail von Großkunden ausliest und den Auftrag automatisch in unserem Transport Management System anlegt, so dass die manuelle Eingabe weitgehend entfällt. Es hat allerdings ein Jahr gedauert, das System so zu trainieren, dass es für uns funktioniert. Das hat sehr viele Ressourcen gebunden.

Welche Institutionen oder Dienstleister unterstützen Militzer & Münch bei dem Projekt?
Wir arbeiten mit der Universität St. Gallen zusammen. In diesem Rahmen tauschen wir uns auch mit einer studentischen Unternehmensberatung aus, die ebenfalls mit der Universität kooperiert. Die Unternehmensberatung hat bereits KI-Projekte begleitet. Ihre Erfahrungen sind für mich sehr wertvoll, denn wir wollen keine Fehler machen, die uns erst Jahre später auffallen. Gerade im Bereich innovativer Technologien gibt es viel Fehlerpotenzial. Deshalb ist es wichtig, Input aus verschiedenen Bereichen zu bekommen. Wir müssen uns informieren, welche Technologien auf dem Markt sind, welche Bereiche sie abdecken und welches Potenzial sie haben. Auch das Preis-Leistungs-Verhältnis und die Implementierungsmöglichkeiten in unserer IT-Infrastruktur spielen eine wichtige Rolle. Erst wenn wir uns über all dies informiert haben, können wir entscheiden, ob ein KI-Tool oder -Modul für uns interessant ist.

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